Prinzipien und Prioritäten für den nationalen Biodiversitätsfonds

Die österreichische Bundesregierung hat in ihrem Regierungsprogramm die „Finanzierung eines Biodiversitätsfonds zur Umsetzung der Biodiversitätsstrategie“ festgeschrieben. Dies ein wichtiger und dringend notwendiger Schritt für die Umsetzung eines Maßnahmenkatalogs zum Schutz der Biodiversität in Österreich. Im Folgenden wird dargelegt, welche Prinzipien und Prioritäten die Arbeit des Fonds aus Sicht des Biodiversitätsrats anleiten sollen und welche Rolle hierbei die Wissenschaft und der Biodiversitätsrat spielen kann.
 

Wien (13.07.2020).

  1. Zielsetzung (Warum?)

Eine intakte Natur ist die Grundlage für gesellschaftliches Wohlergehen. Um den Stopp des Biodiversitätsverlusts in Österreich bis spätestens 2030 zu erreichen, wurden vom österreichischen Biodiversitätsrat 2019 fünf Kernforderungen1) erarbeitet, die gleichzeitig die Grundlage für die folgenden Ausführungen bilden:

1) Biodiversitätskrise stoppen durch politische Prioritätensetzung

2) Einhaltung der internationalen Verpflichtungen zum Schutz der Biodiversität

3) Eine umfassende gesellschaftliche Transformation in Richtung Ökologisierung und Nachhaltigkeit

4) Biodiversitätsforschung und -bildung stärken

5) Eine biodiversitätsfördernden Landnutzung und Grüne Infrastruktur erhalten und ausbauen

  1. Prinzipien (Wie?)

Die institutionelle Umsetzung sowie die Prozesse des Biodiversitätsfonds sollten sich an den Prinzipien der Transparenz, Legitimation, Nachhaltigkeit und Partizipation orientieren. Hierfür ist es essentiell, den Biodiversitätsfond

  • als langfristiges Instrument (über die aktuelle Legislaturperiode hinausgehend) zur Ausgestaltung und Umsetzung des Biodiversitätsschutzes in Österreich einzurichten,
  • als Innovationsfonds zur Unterstützung eines transformativen Wandels der Gesellschaft und als Motor für Modellprojekte sowie inter- und transdisziplinäre Zusammenarbeit zu konzipieren,
  • als Kooperationsmechanismus zwischen allen Verwaltungsebenen (Bekennung zur besseren Kooperation mit den Bundesländern im Naturschutz), zu nutzen, und
  • als Brückenbauer zwischen unterschiedlichen Akteuren (aus Politik, Zivilgesellschaft, Forschung, Praxis) im österreichischen Naturschutz zu etablieren
  1. Themenfelder und Prioritäten (Was?)

Es ist es essentiell, konkrete und unmittelbare Maßnahmen zu setzten und gleichzeitig Möglichkeiten für Innovation „von unten“ sowie langfristige Projekte/Infrastrukturen zu schaffen (z.B. Modellregionen; Innovationspreis).

Prioritär sollte der Biodiversitätsfonds daher Schwerpunkte setzen, um eine Mischung aus top-down-Maßnahmen und bottom-up-Innovationen an der Schnittstelle zwischen Politik, Wissenschaft und Praxis zu ermöglichen.

Zentrale Prioritäten, die als wichtige kurz- und langfristige Hebel für den Schutz der Biodiversität fungieren sind:

A) Interventionsmaßnahmen

Österreichweiten Maßnahmen und Modellregionen

Neben österreichweiten Maßnahmen zur Biodiversitätsförderung sollte durch Schaffung und Förderung innovativer und ambitionierte Biodiversitäts-Modellregionen insbesondre auch Sektorenübergreifende Maßnahmen und Kooperationen unterstützt werden. Diese Regionen sollen als Vorreiter und Vorbild für flächendeckende Umsetzungen dienen und auch innovative Experimente ermöglichen.

Beispiele:

  • Biosphärenparks
  • Grenzregionen (z.B. Green Belt of Europe à grenzüberschreitende internationale Naturschutzarbeit und Regionalentwicklung)
  • Nationalparkregionen
  • Natura 2000-Gebiete

Innovationspreise

Förderung innovativer und ambitionierte Projektideen, die einen transformativen Wandel in Richtung nachhaltiger Gesellschaft und den langfristigen Schutz der Biodiversität unterstützen

Bildungsmaßnahmen

Initiierung und Förderung von Bildungsaktivitäten in allen Sektoren zur Unterstützung der Zielsetzung des Biodiversitätsfonds[1]

Beispiele:

  • Erweiterung der allgemeinen Biodiversitätskompetenz (Naturführer, botanisches/zoologische Zertifikat, …)
  • Bildungsmaßnahmen in bestehenden Schutzgebieten
  • Förderung von „Best practice“-Beispielen und Wissens- und Erfahrungsaustausch zwischen verschieden Regionen und Akteuren
  • Bildungsprojekte zur Biodiversitätsfördernden Landnutzung

Beitrag zur Eindämmung der globalen Biodiversitätskrise

Kooperationsprojekte und Entwicklungszusammenarbeit

 

B) Schaffung und Erhalt einer ökologischen Infrastruktur

Erhalt

  • Unterstützung bestehender Schutzgebiete inklusive Nationalparks
  • Förderung im Zusammenhang mit der Ausweisung und Etablierung neuer Schutzgebiete
  • Flächenkauf zum nachhaltigen Erhalt von Biodiversitätshotspots und ökologischer Korridore
  • Förderung Biodiversitätsfördernder Landnutzung (z.B. Bewirtschaftung in Natura 2000 Gebieten)

Renaturierung und Restauration

  • Wiederherstellung von funktionierenden Ökosystemen und großer zusammenhängender Lebensräume
  • Vernetzung von Lebensräumen durch Korridore und Trittsteine

C) Monitoring und Forschung

Umfassende Erfassung und Dokumentation der Biodiversität in Österreich

  • Breites, flächendeckendes und repräsentatives Biodiversitäts-Monitoring (von Lebensräumen und Arten)
  • Erfassung, Bestimmung und Beschreibung in Österreich vorkommender Arten und genetischer Vielfalt sowie Aktualisierung und Digitalisierung von Artlisten
  • Methodenentwicklung und Verbesserung zur Erfassung und Dokumentation heimischer Biodiversität
  • Fundierte und wissenschaftliche Evaluierung von Maßnahmen zur Biodiversitätsförderung
  • Gezieltes Monitoring von FFH-Arten und Rote Listen Arten sowie der zum Schutz ergriffenen Maßnahmen
  • Ausbau der Dateninfrastruktur zur Dokumentation der Biodiversität (Hosting, Ausbau und Vernetzung von Biodiversitäts-Datenbanken; Datenportale, …)
  • Unterstützung und Vernetzung von Citizen Science Aktivitäten zur Biodiversitätsdokumentation

Finanzierung Biodiversitätsrat

  • Finanzierung eines unabhängigen, weisungsungebundenen wissenschaftlichen Expertengremiums zu Fragen des Biodiversitätsschutzes (nach dem Vorbild des deutschen „Sachverständigenrats für Umweltfragen“)
  1. Welche Rolle können hierbei Wissenschaft und Biodiversitätsrat spielen?

Der Biodiversitätsrat sowie die österreichische Biodiversitäts-Community verfügen über ein großes Portfolio an Wissen und Erfahrung, das in unterschiedlichen Bereichen und Tätigkeitsfeldern des Biodiversitätsfonds von Bedeutung ist:

  • Strategische Schwerpunktsetzung
  • Projektbegleitung und –Steuerung
  • Fachbeirat, der das Gremium für die Vergabe berät
  • Schnittstelle zu Forschungseinrichtungen, Wissenschaftscommunity, Politik, Stakeholdern, NGOs, Gesellschaft

[1] In Kooperation und Abstimmung mit weiteren relevanten Bildungsakteuren

Artenreiche Blumenwiesen sind in Österreich selten geworden. Sie müssen künftig viel besser geschützt werden. (c) Franz Essl

UnterzeichnerInnen:

Leitungsteam des Österreichischen Biodiversitätsrates:

Prof. Dr. Franz Essl (Universität Wien), Prof.in Dr.in Irmgard Greilhuber (Universität Wien), Prof. Dr. Christian Sturmbauer (Universität Graz), Prof. Dr. Andreas Tribsch (Universität Salzburg), Prof.in Dr.in Alice Vadrot (Universität Wien), Prof. Dr. Thomas Wrbka (Universität Wien),

Downloads