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Kernforderungen zum Schutz der Biodiversität in Österreich
Österreichischer Biodiversitätsrat, 18. Dezember 2019
Im Rahmen des Forums Biodiversität und Ökosystemleistungen veröffentlichte der Österreichische Biodiversitätsrat am 18. Dezember 2019 fünf Kernforderungen zum Schutz der Biodiversität Österreichs.
Begründung
Eine intakte Natur ist die Grundlage für gesellschaftliches Wohlergehen. Sie schützt vor Naturgefahren, sichert die Nahrungsmittelproduktion und bedeutet lebenswerte Landschaften (IPBES 2019). Dies gilt besonders in der augenblicklichen Klimakrise.
Die über viele Jahrmillionen durch Evolution entstandene Biodiversität – also die Vielfalt der Arten mitsamt ihrer genetischen Variation und die Vielfalt der Lebensräume – nimmt in Österreich jedoch drastisch ab. So sind in nur 20 Jahren 42 % der Brutvögel der österreichischen Kulturlandschaft verloren gegangen (Birdlife), etwa jede dritte Art steht auf der Roten Liste in Österreich (Umweltbundesamt 2019) und ist damit bedroht, und 82 % aller Arten sowie 79 % der Lebensräume der Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie sind in einem ungünstigen Erhaltungszustand (Umweltbundesamt 2016).
Die derzeitigen Zielsetzungen, Strategien und Gegenmaßnahmen reichen bei Weitem nicht aus, um Österreichs Biodiversität für die nächsten Generationen zu erhalten. Die wissenschaftlichen Befunde sind eindeutig, fundierte Vorschläge für Maßnahmen liegen vor und müssen umgehend politisch Berücksichtigung finden.
Daher fordert der österreichische Biodiversitätsrat von Bundesregierung und Nationalrat, sowie von allen weiteren politischen Gremien (Landtagen, Bezirksräten, Gemeinderäten), der Stimme der österreichischen Wissenschaft Gehör zu schenken und rasch konkrete und effektive Maßnahmen zu beschließen und umzusetzen.
Kernforderungen
Der aus renommierten UmweltforscherInnen bestehende österreichische Biodiversitätsrat stellt angesichts der oben dargestellten dramatischen Lage fünf Kernforderungen, um einen Stopp des Biodiversitätsverlusts in Österreich bis spätestens 2030 zu erreichen:
1 - Biodiversitätskrise stoppen
Der „Biodiversity Emergency“ ist durch den Nationalrat zu erklären und somit die Eindämmung der Biodiversitätskrise in Österreich und ihrer schwerwiegenden Folgen als politische Herausforderung höchster Priorität anzunehmen.
- Einrichtung eines nationalen Biodiversitätsfonds mit 1 Milliarde € zur Finanzierung konkreter Biodiversitätsschutzmaßnahmen.
- Ein Stopp des Artenrückgangs in den letzten verbliebenen Naturlandschaften sowie den Kulturlandschaften Österreichs und die Verhinderung des Aussterbens von Arten in Österreich („Zero Extinction Austria“) sind als Priorität in Regierungsübereinkommen zu verankern und umzusetzen.
- Der Schutz der Biodiversität und die nachhaltige Nutzung als zentrale Säulen für eine intakte Umwelt mitsamt ihren Ökosystemleistungen für eine nachhaltige Gesellschaft sind in allen politischen Handlungsfeldern zu verankern.
2 - Verpflichtungen tatsächlich einhalten
Die europäischen und internationalen Verpflichtungen zum Schutz der Biodiversität sind tatsächlich und nachweislich einzuhalten.
- Erarbeitung und Umsetzung einer nationalen Biodiversitätsstrategie 2030 mit klaren und verbindlichen Zielen zur Erfüllung internationaler Verpflichtungen.
- Tatsächliche Einhaltung internationaler Übereinkommen zum Schutz der Biodiversität wie der Biodiversitätskonvention (umweltbundesamt.at/ biodiv_konvention) und von EU-Direktiven wie Natura 2000.
- Die Einhaltung europäischer und internationaler Verpflichtungen zum Schutz der Biodiversität muss regelmäßig überprüft werden und die Ergebnisse sind zu veröffentlichen. Bei Nichterfüllung sind umgehend korrigierende Maßnahmen zu setzen.
3 - Zur Naturverträglichen Gesellschaft werden
Eine umfassende gesellschaftliche Transformation in Richtung Ökologisierung und Nachhaltigkeit zur Wahrnehmung der Verantwortung für künftige Generationen ist einzuleiten.
- Schaffung eines Bundesrahmennaturschutzgesetzes zur Stärkung des nationalen politischen Rahmens.
- Schaffung eines starken eigenständigen Umweltministeriums, um Schutz und Förderung der Biodiversität national ganzheitlich umzusetzen.
- Umsetzung einer sozial-ökologischen Steuerreform mit dem Ziel, Klima- und Biodiversitätsschutz gemeinsam und gleichrangig umzusetzen.
- Verabschiedung eines Transparenzgesetzes zur Überprüfung der Auswirkungen von Investitionen und Gesetzen auf die Biodiversität.
4 - Wissenschaft und Bildung stärken
Die Biodiversitätsforschung und das entsprechende Lehrangebot an österreichischen Universitäten, Forschungseinrichtungen und Fachhochschulen sind auszubauen und zu fördern.
- Einrichtung eines nationalen Biodiversitätsforschungs-Programms nach dem Vorbild des österreichischen Klima- und Energiefonds (klimafonds.gv.at).
- Errichtung eines nationalen Zentrums für Biodiversitätsdokumentation.
- Etablierung eines funktionierenden Wissenstransfers zwischen Wissenschaft und Politik z.B. durch die Einführung eines wissenschaftlichen Dienstes im Nationalrat oder die Etablierung eines Umweltrates nach deutschem Vorbild (umweltrat.de).
- Verstärkung der Ausbildung über biologische Zusammenhänge in Pflicht- und höherer Schule, verstärkte Erwachsenenbildung.
5 - Biodiversitätsfördernde Landnutzung & Grüne Infrastruktur
Die Landnutzung in Österreich muss Biodiversität nachweislich sichern und fördern, anstatt vernichten. Eine flächendeckende ökologische Infrastruktur muss strategisch geplant und zügig ausgebaut werden.
- Sicherung einer flächendeckenden naturverträglichen Landnutzung durch Umsteuern der Agrarpolitik (z.B. Ausbau der Säule 2 im Programm ÖPUL, naturschädliche Förderungen und Subventionen durch ausschließlich biodiversitätsneutrale oder -fördernde ersetzen)
- Sicherung bzw. Aufbau von mindestens 10 % Biodiversitätsförderungsflächen in Kulturland und Wald in jeder Gemeinde Österreichs.
- Reduktion des Flächenverbrauchs durch Verbauung von derzeit 11,8 ha täglich (umweltbundesamt.at/umweltsituation/raumordnung/ rp_flaecheninanspruchnahme/) auf maximal 2,5 ha (2025) und maximal 1 ha (2030) pro Tag.
- Umsetzung von nationalen und regionalen Artenschutzprogrammen und verbesserte Finanzierung von Schutzgebieten.